Die Teillegalisierung von Cannabis betrifft auch den Straßenverkehr. Viele Patient:innen fragen sich, unter welchen Bedingungen es ihnen während der Cannabistherapie erlaubt ist, Auto zu fahren. Tatsächlich unterscheiden sich die gesetzlichen Maßgaben für ärztlich verschriebenes Cannabis von den Grenzwerten für Genusscannabis. In diesem Beitrag klären wir darüber auf, welche gesetzlichen Bestimmungen die Cannabis-Legalisierung für das Autofahren mit medizinischem Cannabis vorsieht und was Patient:innen darüber hinaus beachten sollten.
Es ist in Deutschland verboten, unter dem Einfluss berauschender Substanzen Auto zu fahren.[1] Dazu gehört auch das in Cannabis enthaltene Tetrahydrocannabinol (THC). Seit dem 06.06.2024 gilt ein (im Zuge jüngster Legalisierungsschritte erhöhter) Grenzwert von 3,5 Nanogramm pro Milliliter Blutserum. Wird dieser überschritten, drohen Bußgelder und ein vorübergehender Entzug der Fahrerlaubnis.[2] Patient:innen, die medizinisches Cannabis im Rahmen einer ärztlich verschriebenen Cannabistherapie einnehmen, sind vom neuen Grenzwert ausgenommen. Sie dürfen prinzipiell Auto fahren, müssen jedoch gewährleisten können, das Fahrzeug im vollen Besitz ihrer motorischen Fähigkeiten, aufmerksam und verantwortungsvoll bedienen zu können.[3]
Patient:innen sind nicht dazu verpflichtet, beim Autofahren ein Cannabisrezept mitzuführen. Es kann sich in Polizeikontrollen jedoch als hilfreich erweisen, um für eine schnelle und unmissverständliche Kommunikation zu sorgen. Eine Kopie ist dafür völlig ausreichend.
Wenn begründete Zweifel bestehen, dass Patient:innen ihr Fahrzeug sicher führen können, werden sie trotz ärztlicher Verschreibung dazu aufgefordert, sich einem verkehrsmedizinischen Gutachten zu unterziehen. Die Kosten dafür müssen Patient:innen selbst tragen. Sollten darüber hinaus Zweifel bestehen, dass Patient:innen die im Rezept verschriebenen Anweisungen nicht einhalten, zum Beispiel indem sie die vorgesehene Dosierung überschreiten, kann es zusätzlich zu einer medizinisch-psychologischen Untersuchung (MPU) kommen. Sollten diese Überprüfungen zu Ungunsten der Patient:innen ausfallen, droht ihnen eine Strafe nach § 316 des Strafgesetzbuches (StGB).[4]
Im Zuge der Cannabis-Legalisierung gilt nun fürs Autofahren: Genusskonsument:innen, die den Grenzwert von 3,5 Nanogramm THC pro Milliliter Blutserum überschreiten, begehen eine Ordnungswidrigkeit, deren Handhabe durch den Bußgeldkatalog geregelt ist. Bei erstmaligem Vergehen müssen sie 500 Euro zahlen, erhalten zwei Punkte in Flensburg und Fahrverbot für einen Monat. Bei wiederholtem Vergehen erhöht sich die Strafe sukzessive um weitere 500 Euro und einen zusätzlichen Monat. Außerdem ist die Rückgabe des Führerscheins an eine MPU gebunden. In besonderen Härtefällen sind auch höhere Geldstrafen und Freiheitsstrafen möglich.[5]
Cannabis-Patient:innen, die trotz Einschränkung ihrer Fahrtüchtigkeit Auto fahren, begehen keine Ordnungswidrigkeit, sondern eine Straftat. Es drohen hohe Geldstrafen und die Entziehung der Fahrerlaubnis für mindestens sechs Monate. Auch Freiheitsstrafen, insbesondere bei Gefährdung des Straßenverkehrs, sind möglich.
Dadurch mag es zunächst den Anschein erwecken, Patient:innen wären gesetzlich benachteiligt. Das Gegenteil ist der Fall: Während Genusskonsument:innen aufgrund des niedrigschwelligen Grenzwertes auch für die länger zurückliegende Einnahme von Cannabis belangt werden können, handeln Cannabis-Patient:innen erst bei der tatsächlichen Beeinträchtigung ihrer Fahrtüchtigkeit gesetzeswidrig.[3]
Ob und inwiefern die Fahrtüchtigkeit von Patient:innen gewährleistet ist, unterliegt keinem Grenzwert, sondern dem Ermessensspielraum der Behörden, sofern Auffälligkeiten im (Fahr-)Verhalten der Patient:innen festzustellen sind. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass Patient:innen ihre Fahrtüchtigkeit gewissenhaft beurteilen müssen, bevor sie sich hinters Steuer setzen. Bleibt das Fahrverhalten unauffällig, drohen keine Strafen.
Bei einmaligem Verstoß gegen den gesetzlich vorgesehenen Grenzwert können Genusskonsument:innen ihren Führerschein auch ohne MPU zurückerhalten. Erst bei wiederholtem Vergehen ist die medizinisch-psychologische Untersuchung obligatorisch. Zudem geht mit der Cannabis-Legalisierung einher, dass ein Führerschein-Entzug, wenn er aufgrund alter Grenzwerte erfolgte, als rechtswidrig anzusehen ist. In diesem Fall erhalten Konsument:innen den Führerschein ebenfalls ohne MPU zurück. Da Patient:innen im Zusammenhang mit Cannabis im Straßenverkehr strafrechtlich belangt werden, müssen sie sich grundsätzlich einer MPU unterziehen, sollte ihnen der Führerschein entzogen werden.[6]
Medizinisches Cannabis kann die Fahrtüchtigkeit von Patient:innen beeinflussen. Daher sind sie dazu verpflichtet, ihre motorische und kognitive Leistungsfähigkeit eigenverantwortlich zu bewerten, um den Straßenverkehr nicht zu gefährden. Es liegt in der Verantwortung der Patient:innen sicherzustellen, dass sie nur dann legal Auto fahren, wenn sie sich in der Lage fühlen, ihre Fahrtüchtigkeit nicht zu beeinträchtigen.
Medizinisches Cannabis kann, insbesondere in den ersten Stunden nach der Einnahme, die Reaktions- uns Entscheidungszeit reduzieren. Bei manchen Patient:innen kann es zusätzlich die Konzentrationsfähigkeit beeinträchtigen.[7] In der Eingewöhnungsphase, zu Beginn einer Cannabistherapie, oder bei unsachgemäßem Gebrauch, treten diese Auswirkungen möglicherweise verstärkt auf.
Zudem kann es zu Schwindelgefühlen und Übelkeit kommen.[8] Sollten Patient:innen eine dieser Auswirkungen an sich feststellen, sind sie nicht fahrtüchtig. Aus medizinischer Sicht können sich ab einer Konzentration von 7 Nanogramm THC pro Milliliter Blutserum Effekte einstellen, die das Risiko im Straßenverkehr erhöhen. [9]
Da sowohl Genusscannabis als auch medizinisches Cannabis THC enthalten, können sie sich im gleichen Maße auf die Fahrtüchtigkeit auswirken. Der Unterschied liegt vielmehr darin, dass die standardisierten Herstellungsprozesse von medizinischem Cannabis eine höhere Zuverlässigkeit des Wirkungsprofils gewährleisten. Während Genusscannabis im privaten Rahmen erzeugt wird und außerhalb von Cannabis Social Clubs keinen Kontrollen unterliegt, liefert medizinisches Cannabis präzise Angaben über die enthaltenen Cannabinoide – also auch über das für die berauschende Wirkung verantwortliche THC.
Darüber hinaus ist der Zugang zu medizinischem Cannabis nur mit einem Arzneimittelrezept möglich. Das bedeutet, dass Patient:innen durch den Kontakt mit behandelnden Ärzt:innen über die angemessene Dosis und Darreichungsform aufgeklärt werden. Mithin fällt die Wahrscheinlichkeit einer missbräuchlichen Anwendung oder das Risiko ungewünschter Nebenwirkungen dadurch geringer aus. Insbesondere in der Eingewöhnungsphase, zu Beginn einer Cannabistherapie, sollten Patient:innen dennoch auf das Autofahren Cannabis und Autofahren verzichten, um Risiken im Straßenverkehr zu vermeiden.
Während die jüngsten Schritte der Cannabis-Legalisierung das Autofahren in Deutschland erleichtern, bestehen im Ausland überwiegend restriktivere Bestimmungen. Patient:innen, die im Ausland Auto fahren möchten, müssen sich im Vorfeld darüber informieren und gegebenenfalls Dokumente einholen, die ihren Sonderstatus belegen. In manchen Fällen müssen Cannabis-Patient:innen grundsätzlich auf das Führen von Kraftfahrzeugen verzichten. [10]
Referenzen
1. § 316 StGB
https://www.gesetze-im-internet.de/stgb/__316.html
2. Die Bundesregierung. (2024). FAQ zur Legalisierung von Cannabis.
https://www.bundesregierung.de/breg-de/aktuelles/cannabis-legalisierung-2213640
3. Brisant. (2024). Das gilt jetzt für Kiffer im Auto und auf dem Fahrrad.
https://www.brisant.de/gesundheit/drogen/cannabis-auto-112.html
4. Molter, C. (2024). FAQ: Cannabis Legalisierung & THC-Grenzwert Auto 2024. Bundestag beschließent neuen THC-Grenzwert (3,5 Nanogramm) und Änderungen am Cannabisgesetz. Jurawelt.
5. R. T. (2024). Kiffen und Autofahren: Eine verhängnisvolle Kombination. Mobilitätsmagazin.
https://www.bussgeldkatalog.org/kiffen-autofahren/
6. Pillokat, J. (2024). Cannabis Legalisierung: Führerschein zurück dank Anmnestie-Regel. Advocado.
https://www.advocado.de/ratgeber/strafrecht/betaeubungsmittel/cannabis-legalisierung-fuehrerschein.html
7. Grotenthermen, F. (2006). Die Verursachung von Verkehrsunfällen durch Cannabiskonsum. In: Cannabis und Straßenverkehr. Analysen und Konzepte. Hrsg. von Bundesarbeitsgemeinschaft Drogenpolitik der Linkspartei.
https://static.twoday.net/linkedrogenpolitik/files/Cannabis-und-Strassenverkehr.pdf
8. Grotenthermen, F. (2020). Cannabis Healing. A Guide to the Therapeutic Use of CBD, THC and Other Cannabinoids. Rochester (Vermont): Park Street Press.
9. Tagesschau. (2024). Neue Cannabis-Regeln im Verkehr beschlossen.
https://www.tagesschau.de/inland/gesellschaft/cannabis-strassenverkehr-bundestag-100.html
10. Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte. (2024). Reisen mit Cannabisarzneimitteln.
https://www.bfarm.de/DE/Bundesopiumstelle/Medizinisches-Cannabis/Reisen-mit-medizinischem-Cannabis/_node.html